Sonntag, 16.5.21
Spanien schickt uns Regen zum Abschied. Ohne Kontrollen reisen wir im äußersten Westen nach Frankreich ein. Acht Tage wollen wir uns für die Durchreise Zeit nehmen. Kurz vor Bordeaux campen wir bei lateinamerikanischen Rhythmen, von einem DJ eingespielt. Ab 19.00 Uhr ist Ausgangssperre. Bis dahin wird im Freien getanzt und gesungen, gelebt und gefeiert, ohne Abstand, ohne Masken.
Montag, 17.5.21
Bis zum Nachmittag verbummeln wir die Zeit in Bordeaux. Einige Kirchen sind geöffnet, die zweitgrößte Synagoge des Landes bleibt aber für uns verschlossen. In den Restaurants werden Tische und Stühle geputzt und für die Wiedereröffnung am Mittwoch in Szene gesetzt. Unsere Weiterfahrt führt uns Richtung Osten, immer an der Dordogne entlang.
Dienstag, 18.5.21
Am Vormittag finden wir uns in Sarlet wieder. Eine kleine, mittelalterliche Stadt im Perigord mit verwinkelten Gassen. Die meisten Häuser sind aus gelben Sandstein errichtet, meist mit blauen Fensterrahmen, was der Stadt einen farbenfrohen Eindruck verschafft. Die Gegend wirbt in den Schaufensterauslagen mit Gänseleberpastete. Wir halten uns zurück und disponieren um. Frankreich benötigt mehr Zeit von uns. Unser Kurs schwenkt auf Süd.
Mittwoch, 19.5.21
Mehr noch als in Spanien sind in Südfrankreich prähistorische Höhlenmalerein zu besichtigen. In Gordon werden wir in der Grotte Cougnac fündig. Es ist der erste Tag seit 7 Monaten, an denen Museen und Ausstellungen wieder öffnen dürfen. Wir sind die ersten Gäste im neuen Jahr und erleben eine Führung unter Stalaktiten hindurch bis wir auf Wandbilder der Steinzeit stoßen. Deutlich sind Tiere sichtbar, die vor unbegreiflich langer Zeit an Felswände gezeichnet wurden. Faszinierend. Gegen Mittag sind wir in der Gegenwart zurück und setzen unsere Reise Richtung Süden fort, der Sonne und Wärme entgegen.
Donnerstag, 20.5.21
Am Morgen erblicken wir die schneebedeckten Berge der Pyrenäen. Im Vordergrund in einer weiten Talebene liegt Carcassonne. Unterhalb der Burgmauer finden wir einen Parkplatz. Treppen führen uns in die Altstadt hinein, die von zwei ringförmigen, je ca. 1,5 km langen Burgmauern umgeben sind. Der älteste Teil der Anlage geht auf römische Zeit zurück, der meist erhaltene auf das 13.Jh. Wir besichtigen das Museum, die Kirche und erfreuen uns an der Revitalisierung der Stadt nach Corona.
Carcasonne
Freitag, 21.5.21
Mit Öffnung des Radverleihs mieten wir uns zwei davon und radeln in westlicher Richtung immer am Canal du Midi entlang. Er stellt die kürzeste Verbindung zwischen Mittelmeer und dem Atlantik auf französischer Seite her. Gebaut wurde der Kanal in der Mitte des 17. Jh. Heute nutzen ihn und die 63 zu absolvierenden Schleusen vorwiegend Hausboote. Auf unserer Strecke sehen wir einige davon, mehr noch aber Radreisende, die das lange Pfingstwochenende für Mehrtagestouren nutzen. Nach 40 km naturbelassenen Weges erreichen wir Castelnaudary und besteigen den Zug, der uns wieder nach Carcassonne zurück bringt.
Canal du Midi
Samstag, 22.5.21
Mehr und mehr sich öffnende Campingplätze geben uns wieder die Möglichkeit des Indoorhotduschens, dazu bunkern wir Wasser und fahren ein Stück ins Landesinnere nach Minerve. Auf einem Felssporn liegt einsam das kleine Dorf, die Häuser mit Steinen der Umgebung gebaut und naturgetreu belassen. Von dort führt uns der Weg in die Schlucht Le Brain. Es erinnert uns an Korsika, steil aufragende Felsen säumen die schmalen Pfade, dazu Badegumpen zum erfrischen. Auf dem Rückweg durch das kleine Dorf entdecken wir einen antiquierten Buchladen mit deutscher Literatur. Wir tauschen unsere abgelesene Belletristik gegen Romane und Krimis. Wir bleiben in der Nähe des Canyons und genießen die Stille der Umgebung.
Pfingstsonntag, 23.5.21
Mehr und mehr füllen sich die Parkplätze der Umgebung. Autos mit deutschen Kennzeichen haben wir seit einer Woche nicht mehr gesehen. Wir schmökern in den neuen Büchern und wälzen Reiseführer. Am Nachmittag fahren wir Richtung Mittelmeer. Kurz vorm Ziel leuchtet das rote Batteriesignal im Armaturendisplay. Ich messe die Spannung der Starterbatterie. Sie ist im Keller, unsere Stimmung auch. Mist. Der Keilriemen sitzt fest, dann muss es die Lichtmaschine sein. Die Werkstätten öffnen erst am Dienstag wieder. Wir disponieren um und finden einen schönen Stellplatz inmitten von Weinbergen unter Olivenbäumen. Wir sind nicht die Einzigen. Auch Evelyn und Henry aus Bordeaux mit ihrem T4 sind da. Wir verständigen uns mit Bier und google Translater bis in die Dunkelheit hinein.
Pfingstmontag, 24.5.21
Als die Sonne über den Olivenbäumen aufgeht, schieben wir unseren Camper an eine sonnige Stelle. Unser Solarpanel muss nun die defekte Lichtmaschine ersetzen und zumindest unsere Bordbatterie mit Strom versorgen. Es funktioniert. Die Spannung steigt, unsere auch. Am Abend leisten wir uns ein Dessert und backen Eierkuchen.
Dienstag, 25.5.21
Mit Hilfe der aufgeladenen Bordbatterie können wir unseren Bus starten. Bis zum nächsten Mechaniker kommen wir noch. Naiver Weise ist es wieder eine VW Werkstatt. Die Behäbigkeit im Umgang mit uns lässt nichts Gutes erahnen. Die Preise sind zu teuer und die Bestellung sehr lang. Wir entscheiden uns für den ein Mann Monteur 500 m weiter um die Ecke. Trotzdem müssen wir warten. Unser Bus bleibt beim Chef und wir quartieren uns unterdessen auf dem nahe gelegenen Campingplatz ein.
Mittwoch, 26.5.21
Es wird warm und sonnig. Der Strand ist per ÖPNV nicht weit. Ich fahre allein. Nach einem knappen halben Jahr wieder Mittelmeer. Nur wenige Menschen sind unterwegs uns so habe ich den Strand und das Wasser fast für mich allein.
Donnerstag, 27.5.21
Am frühen Abend können wir unseren Bus abholen. Eigentlich. Doch der Gang in die Werkstatt ist erweist sich als trügerisch. Die neue Lichtmaschine liegt noch uneingebaut da. Es ist das falsche Modell. Noch eine weitere Nacht auf dem Campingplatz. Zum Glück zahlt der ADAC.
Freitag, 28.5.21
Endlich. Unser Haus ist fertig samt Ölwechsel. Am Nachmittag können wir starten. Wir fahren 3 Stunden Richtung Osten, mitten in die Camargue hinein. Die Mücken sind schon da und warten auf uns und das, was wir mitbringen. Links und rechts überall Wasser, dazwischen eine 10 m breite Piste. Das bisschen Gras ist Ende Mai schon verdorrt. Es ist heiß, windig und trocken.
Samstag, 29.5.21
Dieser Tag gehört dem salzig, feuchten Gebiet der Camargue mit seinen schwarzen Rindern, weißen Pferden, breiten, langen Sandstränden, Reisfeldern in einer Ebene, die bis zum Horizont reicht. Wir erwandern diese eigenartige Gegend am Rhonedelta bis in den Nachmittag hinein und steuern am Abend den Stadtrand von Arles an. An einem der zahlreichen Kanäle campen wir. Glücklicherweise weht eine leichte Brise, die uns die Mücken fernhält.
Camargue
Sonntag, 30.5.21
Die Spuren römischer Vergangenheit nehmen wieder deutlich zu. Arles bietet dazu einiges. Wir besorgen uns ein Museums- und Monumentalflatrateticket, mit dem wir Zugang zu uns allen interessierenden Einrichtungen haben. Gut und sehenswert erhalten ist das römische Theater und die Arena. Beide werden heute (wieder) genutzt. Die Eine als Bühne für Konzerte, die Andere für Stierkämpfe. Wir erkunden unterirdisch das alte Forum der Stadt, besichtigen die Thermen von Konstantin und entschlüsseln im Kloster an den Säulen des Kreuzgangs die unterschiedlichen Darstellungen. Am Abend finden wir auf halber Strecke zwischen Arles und Nimes auf einem Hügel einen Platz mit Aussicht auf die Rhoneebene.
Arles
Montag, 31.5.21
Arles wiederholt sich in Nimes. Die Hinterlassenschaften der Römer sind auch hier deutlich zu erkennen. Wir besorgen uns ein Kombiticket und besichtigen zunächst eine Tempelanlage in der Nähe des ehemaligen Forums. Eindrucksvoll wird visuell die Entstehung der Stadt vor über 2000 Jahren gezeigt. Vom römischen Tower Tour Magne ist nur ein Stumpf übriggeblieben. Trotzdem hoch genug, um einen Rundumblick der Gegend zu erhaschen. Das Beste folgt zum Schluss: die Besichtigung der Arena per Audioguide. Die Steine, Bretter und Balken scheinen zu erwachen und beginnen ihre Geschichten zu erzählen. Geschlagene zwei Stunden lauschen wir den Erzählungen. In der nahe gelegenen Kathedrale wird es persönlich. Einer der zwei Kirchenführer besteigt mit uns den Turm und gewährt uns so eine Stadtansicht von oben. Am Abend verlassen wir die Stadt und benötigen wieder Natur. In der Nähe des Pont du Gard finden wir sie.
Nimes
Dienstag, 1.6.21
Bis heute weiß man nicht, wie die Römer diese Präzision schafften. Um Nimes mit Wasser zu versorgen, wurde eine 50 km lange Wasserzufuhr erbaut, Tunnel durch die Felsen getrieben und Täler mit Aquädukten überspannt mit einem Gefälle von dabei nur 17m. Das eindrucksvollste Bauwerk ist dabei der Pont du Gard. Wir leisten uns einen ganzen Tag dafür in der schönen Umgebung, trödeln über die Brücke und schwimmen im Fluss unter ihr hindurch.
Pont du Gard
Mittwoch, 2.6.21
Am Vormittag erreichen wir Avignon, die französische Stadt der Päpste. Das Stadtbild prägt der mächtige Palast, der eher wie eine Festung wirkt. Multimedial geht es mit I Pad ausgerüstet durch die kahlen Räume. Auf dem Touchscreen erscheinen plötzlich die Säle ausgestattet wie vor 700 Jahren. Es ist beeindruckend inszeniert und zeigt, was museal möglich ist. Anschließend schlendern wir noch durch die Altstadt und fahren am Abend weiter Richtung Ardeche.
Avignon
Donnerstag, 3.6.21
Mit Sonnenaufgang sind wir wach, ungewöhnlich. Das Handy kann ausgeschaltet werden, den Weckton benötigen wir nicht mehr. 8.00 Uhr stehen wir vor dem Kajakverleih. Kurze Zeit später sitzen wir in einem Bus, der uns 35 km Ardeche aufwärts wieder ausspuckt. In Anbetracht der dort gelagerten Boote müssten mindestens in der Hochsaison hunderte von Paddlern unterwegs sein. Heute sind es nicht mehr als ein Dutzend. Wir packen alles in die weiße Plastiktonne, verschnüren sie am Kajak und auf geht’s, 32 km die Ardeche hinunter. Die Landschaft ist grandios, ebenso wie die natürlichen Stimmen der Vögel, sonst ist Ruhe. Wir fahren und schwimmen unter dem Ponte de Arc hindurch und meistern Stromschnellen ohne zu kentern. Im klaren Wasser spiegeln sich die Berge, unter uns schwimmen Fischschwärme. Beeindruckend. Wir lassen uns viel treiben und 7 Stunden später sind wir am Ziel.
Freitag, 4.6.21
Fahrtag, immer Richtung Norden. Unterwegs wird Wäsche gewaschen. An einer Walnussplantage finden wir einen Platz zum trocknen und schlafen.
Aigueze
In der Nähe haben wir übernachtet.
Samstag, 5.6. – Montag, 7.6.21
Taize. Am Nachmittag blitzen die ersten Häuser des kleinen Dorfes im Burgund auf. Die Ankunft ist eine Mischung aus Erwartung, Vertrautes zu kennen und Erinnerungen zu teilen. Eine merkwürdige, kaum für möglich gehaltene Stille liegt über dem Gelände. Wo sich sonst hunderte Menschen begegnen sind es heute nur ein paar Dutzend. Corona lässt auch hier die Besucherzahlen schrumpfen. Keine Warteschlangen an der Essenausgabe, keine Kunden im Taize Shop, kein dichtes Gedränge in der Kirche. Alles scheint entschleunigt. Aber gefeiert wird in aller Stille trotzdem. Am Samstagabend die Nacht der Lichter, am Sonntagmorgen der Gottesdienst und drei mal täglich die Gebetszeiten. Taize bedeuted Sein. Einfach da sein, herunterfahren, nichts tun zu müssen und trotzdem willkommen zu Sein. Taize heißt gelebter Glaube in Freiheit, Austausch, Korrektur. Wir entscheiden uns bis Dienstag zu bleiben. Am Montagmorgen finden die ersten Kleingruppen statt. Wir sind 7 Deutsche, 50+, unterschiedlich in unseren Glaubenserfahrungen und Gottesbildern. Die Gespräche sind spannend und reizvoll.
Dienstag, 8.6.21
Es heißt Abschied nehmen von den Gebetszeiten und den Kleingruppen. Mit uns reisen die Offenheit und Ehrlichkeit von Gesprächen, Kontaktnummern, Fremde, die uns in knappen Worten haben Anteil nehmen lassen an den Brüchen ihrer Biographie. Wir reisen weiter, nordwestlich, in die Mitte von Frankreich. Wir kommen zügig voran.
Dienstag, 8.6.21
Es heißt Abschied nehmen von den Gebetszeiten und den Kleingruppen. Mit uns reisen die Offenheit und Ehrlichkeit von Gesprächen, Kontaktnummern, Fremde, die uns in knappen Worten haben Anteil nehmen lassen an den Brüchen ihrer Biographie. Wir reisen weiter, nordwestlich, in die Mitte von Frankreich. Wir kommen zügig voran.
Mittwoch, 9.6.21
Knapp vor dem Mittag erreichen wir Orleans. Hier erreicht die Loire ihren nördlichsten Punkt. Hier wollen wir unsere 4 tägige Radtour entlang dieses naturbelassenen Flusses beginnen. Schon beim zweiten Radverleih haben wir Glück, bekommen die Räder samt Packtaschen. Schlafsack, Isomatte und Zelt wird aus dem Bus heraus gekramt und am Nachmittag sitzen wir im Sattel. Den Bikeline Radführer haben wir uns nach Taize senden lassen.
Donnerstag, 10.6. – Samstag, 12.6.21
Drei Dinge beginnen uns zu faszinieren: der Radweg, der Fluss und die Schlösser. Der Radweg ist top ausgebaut und sehr abwechslungsreich. Mal führt er am Fluss entlang, mal im Hinterland über kleine Nebenstraßen durch verträumte Ortschaften hindurch. Er ist gut ausgeschildert, verfahren nicht möglich. Er beginnt in Nevers und endet nach 600 km an der Atlantikküste. Viele Franzosen befahren ihn in ihrer kleinen oder großen Tour de France und grüßen uns mit einem bonne journee. Campingplätze gibt es reichlich an der Strecke. Die Loire ist nicht ausgebaut, ihre Ufer naturbelassen und die Fahrrinne nicht für Schiffe tiefergelegt. Zahlreiche Inseln mit Sandbänken durchtrennen den Fluss, unzählige Vögel nisten und geben am Abend und am frühen Morgen Gratiskonzerte. Meist etwas im Hinterland des Flusses liegen die Königsschlösser. Ihre Besichtigung kostet viel Zeit und Geld. Wir schauen uns einige von außen an und besichtigen eines intensiver von Innen in Amboise, dem Sterbeort von Leonardo da Vinci. Unsere Tour endet in Tours, der Bischofsstadt vom heiligen Martin. Ihm ist eine Kirche gewidmet, deren zahlreiche Glasfenster nicht nur die Kirche hell wirken lassen, sondern auch das Leben dieses Bischofs eindrucksvoll erzählen. 4 Tage reicher an Erlebnissen transportiert uns die proppenvolle französische Bahn wieder zurück nach Orleans.
10.6.
Schloss Chambord
11.6. Ambois
Kathedrale Tours
Sonntag, 13.6.21
Wir bleiben in der Nähe von Orleans und besichtigen heute einen der vielen, meist zu Schlössern gehörenden Gärten. Wir ergänzen zahlenmäßig eine französische Großfamilie und erreichen somit das Gruppentarifticket. Der Garten besticht durch seine gepflegte, kreative Anlage. Rosenduft lockt nicht nur Insekten an, auf den Wiesen packen Franzosen ihr kulinarisches Hab und Gut aus und im Schmetterlingshaus beeindruckt die Geburtsstation neben der Farbenpracht der Insekten. Der nachmittäglichen Hitze entfliehen wir auf unserer Reise westwärts an einem Badesee.
Montag, 14.6.21
Zwei Drittel von Frankreich ist Tiefebene. In diese rollen wir Richtung Bretagne immer weiter hinein. Die Straßen verlaufen schnurgerade, die Kilometeranzahl pro Stunde wächst. Kurz vor Rennes besichtigen wir Megalithen aus prähistorischer Zeit.
Dienstag, 15.6.21
Am Vormittag besichtigen wir das Museum der schönen Künste in der bretonischen Hauptstadt. Die Werke alter Meister sind ausgestellt, daneben Funde aus griechischer, römischer und ägyptischer Zeit. Farbenfrohe Fenster bietet die romanische Kirche Notre Dame. Je mehr wir uns nördlich bewegen werden diese im Innenbereich glücklicherweise zunehmend schlichter und lässt uns länger verweilen. An alter Bausubstanz hat Rennes nicht zu bieten, zu sehr wurde die Stadt im Weltkrieg bombardiert. Am Abend erreichen wir die Nordküste der Bretagne.
Rennes
Mittwoch, 16.6.21
Die roten Granitfelsen von Tregastel sind das heutige Ziel unserer Wanderung. Immer der Küste entlang verläuft der Weg, das Wasser zieht sich dabei immer mehr zurück und gibt Land frei. Muscheln und Algen bleiben zurück, Boote kippen zur Seite und liegen plötzlich hundert Meter vom Wasser entfernt. Der Gezeitenunterschied beträgt schon hier ca. 7m. Entlang der Strecke entdecken wir einen Kajakverleih. Es juckt in den Fingern und zwei Stunden paddeln wir zwischen der offen werdenden Felslandschaft hindurch. Später sehen wir von unserem Stellplatz wie die Flut alles wieder verdeckt.
Ebbe und Flut
Donnerstag, 17.6.21
Dieser Tag gehört Andrea und den prähistorischen Megalithen der Umgebung. Davon gibt es zahlreiche, mal mehr, mal weniger groß und ansehnlich. Einige sind frei zugänglich, andere wieder in Privatgrundstücken verbaut. Zur Mittagszeit sitzen wir im Sand, im Rücken eine Grundstücksmauer. Spontan werde wir vom Besitzer zum Cafe eingeladen. Unterdessen verschwindet das Meer immer mehr und gibt kurze Zeit einen Weg frei zu einer vorgelagerten Insel. Wir machen uns zu dieser auf den Weg. Schlick drückt durch die Zehen, es riecht nach Seetang. Am Abend finden wir einen Platz direkt am Meer, das Wasser kommt zurück.
Freitag, 18.6.21
Es klopft an unsere Tür, unsanft werden wir geweckt. Ein Gendarm signalisiert uns Camperverbot. Wir fahren eiligst davon, bevor die volle Härte der französischen Gesetze uns trifft. Wir fahren ans Kap Le Gouffre und starten von dort unsere Küstenwanderung und staunen immer wieder wie die unterschiedlichen Gezeiten eine Landschaft innerhalb von Stunden optisch verändern können. Wir fühlen uns an Irland erinnert mit seinen Granithäusern, den Hecken und den Patchworkfeldern. Am Nachmittag geht es zurück, immer Richtung Osten in die Nähe von Saint Malo.
Samstag, 19.6.21
Die Altstadt am Rande der Bretagne erinnert mit seinen wuchtigen, mehrgeschossigen Granithäusern und der umlaufenden Stadtmauer eher an eine große Festung. Wie viele andere Städte der Gegend wurde auch Saint Malo Opfer des Krieges. Wir folgen der Stadtmauer und haben einen schönen Blick in die Stadt hinein als auch ins Umland. Am Nachmittag besichtigen wir das ursprünglich weltweit erste Gezeitenkraftwerk und am Abend finden wir in einem Pup alle Zutaten für einen gelingenden Fussballabend.
Sonntag, 20.6.21
Den Abschied vom Atlantik genießen wir auf einer letzten Wanderung. Der Himmel reist auf und die Sonne lässt ein Bad im Meer zu. Am Strand von Rotheneuf besichtigen wir in die Granitfelsen gehauene Figuren und fahren am Abend weiter nach Saint Michel. Dort treffen wir auf einem Stellplatz die sympathischen Ute und Jens aus Erlangen. Der Grill wird ausgepackt, die Nacht ist nicht nur von der Dunkelheit kurz.
Dieselben Boote, einmal ohne einmal mit Wasser
Montag, 21.6.21
Ein Shuttel Bus bringt uns zum schon von weitem sichtbaren Monte. Einer Trutzburg gleich erhebt sich das Kloster und die Kirche weit aus dem Meer empor. Die Ebbe lässt uns zunächst ins Watt hinauslaufen. Mehr als 10 km entfernt sich bei dieser Konstellation das Wasser von der Küste. Gegen Mittag besichtigen wir die sakralen Gebäude. Das Kloster wird wieder von Nonnen und Mönchen bewohnt. Ihre gottesdienstlichen Gesänge bleiben am Montag leider stumm für uns. Zum ersten Mal auf unserer Reise müssen wir für Tickets anstehen und die Gassen der Altstadt füllen sich mit Touristenströmen. Am Abend fahren wir weiter, in die Normandie hinein.
Dienstag, 22.6.21
Bis Caen ist es nicht mehr weit. An vielen Stellen der Region wird an die Landung der Alliierten im Frühsommer 1944 erinnert. So auch in dieser eher unbekannten Stadt mit seinem Memorial Museum. Als wir kurz vor Mittag den futuristischen Gebäudekomplex betreten ahnen wir nicht, dass wir erst 7 h später mit der Schließung es wieder sprachlos verlassen. Gezeigt wird, historisch gut recherchiert, die militärische Geschichte Europas im 20. Jh. Multimedial ausgestattet und architektonisch unterstrichen führt uns der Weg im Museum spiralförmig abwärts bis hin zu dem unvorstellbaren Unmenschlichen, die ein Vernichtungskrieg mit sich bringt, an der Ostfront, der Westfront und im Pazifik.
Mittwoch, 23.6.21
Unser letzter Tag in der Normandie gehört dem Strand des Ärmelkanals. Es stürmt, gute Bedingungen für die Kitesurfer. In der Nähe des Ufers stoßen wir immer wieder auf Bunker des Westwalls der deutschen Wehrmacht. Bilder und Szenen der Landung der Alliierten sind wieder vor Augen. Auf unserer Fahrt Richtung Osten halten wir an einem der zahlreichen Friedhöfe, auf denen voneinander getrennt deutsche und britische Soldaten bestattet sind. Auffällig ist, dass alle Soldaten im 20. Jh. geboren wurden. Der Jüngste gerade mal 17 Jahre, er könnte heute noch leben. Die Gefühle sind ambivalent, Fassungslosigkeit, Wut und Dankbarkeit wechseln sich ab. Wir fahren weiter.
Donnerstag, 24.6.21
Wie deutlich Frankreich den Beginn der Neuzeit in der Architektur sowie im gesellschaftlich, politisch und sozialen Gefüge prägte wird deutlich in Versailles. Größenwahn, Prunksucht und Staunen liegen eng beieinander. Wir durchstreifen die Gemächer der Ludwig Dynastien, lernen an großformatigen Bildern die Geschichte Frankreichs kennen und bekommen Napoleon stets in Siegerpose zu sehen. Im angrenzenden Schlosspark schneiden die Gärtner mit Hilfe großer Schablonen ihre Bäume. Die Akkuratesse reicht bis heute. Der Abend bringt uns weiter vor die Tore von Paris.
Versaille
Freitag, 25.6.21
An einem Campingplatz nahe der Seine finden wir Dusche und einen Parkplatz. Mit Öfis geht es hinein in unsere 4. Hauptstadt. Zu Fuß und mit dem Tagesticket besichtigen wir äußerlich den Eifelturm, den Arc de Triumph, den Luvre und die im Wiederaufbau sich befindende Kirche Notre Dame. Mehr Zeit nehmen wir uns für zwei kleinere Museen, die Orangerie und petit royal mit ihren Bilder- und Skulpturenausstellungen von Monet, Renoir, Cezanne, Matisse, Gaugin, Picasso, Magritte. Im abendlichen Blick vom Montmatre auf Paris entdecken wir viel Beton und wenig Grün.
Paris
Samstag, 26.6.21
Paris war uns gestern eine Nummer zu groß, wir verlassen die Stadt nach nur einem Tag Richtung Osten und sind schon nach wenigen Kilometern froh über den Farbwechsel von grau zu grün.
Champs sur Marne
Sonntag, 27.6.21
Am Nachmittag erreichen wir Nancy und sind damit schon gefährlich nah an Deutschland. Wir haben noch Zeit für Museen. Andrea entscheidet sich für das Interior des Jugendstils, ich mich für die Aquarien der Stadt. Am Abend finden wir einen Stellplatz zwischen den Welten: rechts der Fussballplatz, links der Friedhof. Marie wird auf uns und unseren Camper aufmerksam, wir kommen mit ihr ins Gespräch, sie wohnt nicht weit entfernt. Später bringt sie noch Salat vorbei und lädt uns für den nächsten Tag zu sich ein. Gegen Mitternacht entdecken auch Jugendliche Partygänger den Platz für sich, dies verträgt sich nicht mit unseren Bedürfnissen und so ziehen wir weiter um die Ecke.
Montag, 28.6.21
Nancy besitzt viele Bauten im Jugendstil. Mit Audioguide und Stadtplan begeben wir uns auf Entdeckungsreise durch die Straßen der Stadt nach dieser Architektur und werden immer wieder fündig, außen wie auch im Inneren der Häuser. Am Abend freuen wir uns über die Einladung von Marie und treffen in ihrem Haus auf ihren Ehemann Charles. Wir kommen schnell ins Gespräch über Gott und die Welt, daneben wird mit einem 3 Gänge Menu getafelt und gemeinsam das Ausscheiden der Equipe Tricolore betrauert.
Dienstag, 29.6.21
Wir verlassen Nancy und fahren weiter, unaufhörlich Richtung Osten. Nicht lange, dann tauchen Hügel, kleine Berge auf. Endlich mal wieder. Wir sind in den Vogesen, wollen dort wandern. Es schüttet unaufhörlich doch irgendwann gewinnt der Drang nach Wald und wir marschieren los und werden mit schönen Sandsteinformationen belohnt. Wir sind rechtzeitig zurück, um auf einem nahe gelegenen Stellplatz im Camper eines Ur-Elsässers den Untergang Deutschlands gegen England mit an sehen zu müssen.
Mittwoch, 30.6.21
Es bleibt kühl, doch wenigstens hält sich der Regen in Grenzen. Die Vogesen sind reich an Wandergebieten. Wir besteigen den Turm des Brotschbergs und gelangen später unverhofft in ein optisches Telegrafen Museum von 1792. Die Führung ist auf Deutsch und es irritiert uns zunächst. Willkommen im verständlichen Sprachraum. Wir werden nicht nur über die sensationellen Kommunikationsideen und deren Ausführungen von Claude Chap zur Zeit von Ludwig XVI. aufgeklärt, sondern auch über die sprachliche Verbreitung des elsässichen und deren Eigenheiten. Unser Wissenshorizont erweitert sich.
Donnerstag, 1.7.21
Frankreich neigt sich dem Ende. Es ist reich an Kultur, Natur, Historie. Als letztes dazu besichtigen wir das Four a Chaux. Es diente als Verteidigungsanlage zum Schutz vor dem Angriff deutscher Truppen. 106 weitere wurden zwischen 1930 und 1935 entlang der französisch – deutschen Grenze gebaut. Wieder einmal stockt uns der Atem, lässt uns Staunen über die technische Meisterleistung und Kopf schütteln über den Nutzen dieser militärischen Anlagen und die Unsummen Gelder und Material, die es verschlang.
2 Stunden bewegen wir uns mit einem Guide durch die unterirdischen Stollen und Gänge, in denen es alles gab, was ca. 500 Soldaten zum (Über)leben unter Tage benötigen: Schlafsäle, sanitäre Einrichtungen, Küche, Werkstätten, Lazaret, Munitionsdepots, Geschütze, Funkmeldeeinrichtungen, Aufzüge, Eisenbahn. Doch nicht einmal 5 Jahre wurden diese Anlagen genutzt und benötigt wurden sie kaum. Am Nachmittag besuchen wir als letzte Stadt Wissembourg, die Beschilderung ist schon zweisprachig, die deutsche Grenze nur einen Steinwurf entfernt. Unsere letzte Nacht in Frankreich.
Freitag, 2.7.21
Wir überqueren den Rhein. In den nächsten Tagen werden wir im süddeutschen Raum Freunde besuchen, die wir schon länger kennen oder erst auf unserer Reise kennen gelernt haben. Den Rest des Sommers wird Andrea auf einer Alm im Salzburger Land arbeiten während Tino mit dem Rad unterwegs ist.
Nach 11 ErFahrungsreichen Monaten sind wir also wieder zurück und beenden damit auch unsere Blogeinträge. Wir sind sehr dankbar für die Bewahrung, für die geduldigen Autofahrer mit unserem langsamen Camper, alle vielfältigen Begegnungen mit Menschen, die bisherige unfallfreie Fahrt, Kunst- und Kulturschätze, die Menschen irgendwann kreativ erschaffen haben, die intensive Zweisamkeit, tolle Landschaften, die uns in Erstaunen versetzten, Tinos Arbeitgeber, der Werkschule und ihrer Möglichkeit des Sabbathjahres, unseren Kindern, die ihr Leben selbstständig managten, sturmfreie Fährüberfahren, Historie in einem europäischen Kontext zu sehen, alle Rückmeldungen von und Kontakte zu Freunden, die google Translater app sowie Osmand und park4night und dass wir unseren Camper unversehrt immer wieder gefunden haben. Die Corona Bedingungen haben unseren ursprünglichen Plan zunichte gemacht aber andererseits uns auch unverhoffte Freiräume geschaffen. Museen und Sehenswürdigkeiten hatten wir oft für uns allein, ebenso Stellplätze und Stille in der Nacht auf Grund der Ausgangsbeschränkungen.
Unsere Erinnerungen bringen wir mit nach Hause, meist sind es sehr sehr schöne. Die uns begleitenden Gedanken haben wir in Kategorien gepackt, komprimiert und extrahiert:
Die einprägsamste Begegnung gab es bei Brigitte und Alfred auf La Palma sowie die spontane Einladung von Marie und Charles in Nancy.
Die anspruchsvollste Wanderung verlief auf dem Weg zur Ansbacher Hütte über die Grieslscharte in den Lechtaler Alpen und auf den Monte Cinto in Korsika.
Die schönste Aussicht genossen wir vom Roque Muchachos auf La Palma und von der schneebedeckten Sierra Nevada auf das Mittelmeer
Der beste Stellplatz war an der Nordküste Korsikas und der angrenzenden Steinwüste mit sternenklaren, lautlosen Nächten.
Die eindrucksvollste Großstadt war unisono Barcelona.
Die beeindruckendste Kleinstadt war Avila in Spanien und Sintra in Portugal.
Die schönste Küste verläuft an der Algarve.
Ein unverhoffter Moment mit staunenden Gesichtern auf beiden Seiten war Petra in Portugal und ihre Verbindung zum Wohnort unserer Eltern sowie Micha aus Thüringen mit seinem S 51 in Korsika.
Den besten Ikea gab es auf Sardinien mit Flamingos am Meer.
Die kunstvollsten Sehenswürdigkeiten fanden wir mit der Alhambra in Granada und dem griechischen Tempel in Selinunte auf Sizilien.
Die anstrengendsten Momente waren Entscheidungen zu fällen und Werkstätten sowie Gasfüllstationen auf zu suchen.
Die leckersten Früchte waren die Orangen von Hans an der Costa del Sol und der Finca Autarka auf La Palma.
Die eindrucksvollste Landschaft war die Naturkunst der Felsformationen in Korsika und das Ätnagebiet in Sizilien
Die eintönigste Landschaft fanden wir in der Tiefebene von Frankreich und der Hochebene von Mittelspanien.
Die schönste Insel war für uns Sardinien und La Palma.
Das beeindruckenste Museum fanden wir im Papstpalast von Avignon und im Memorial von Cean.
Das emotionalste Erlebnis war die Abfahrt in Coswig und die Wiedereinreise nach Deutschland.
Das meiste Geld haben wir für Reparaturen ausgegeben, das wenigste für Parkgebühren und Campingplätze.
Den größten Hund trafen wir in Portugal bei Alex, den Einsamsten am Ätna.
Comments (1)
Hallo Andrea und Tino, vielen Dank, dass Ihr weiterhin so fleißig berichtet. Die Bilder von Eurer Kanutour haben mich am meisten beeindruckt. Schön auch, dass Ihr jetzt endlich auch wieder Zugang zu Museen und einheimischer/kulinarischer Kultur habt. Auch bei uns startet jetzt einiges wieder in ein etwas normaleres Leben. Ab Montag sind auch wieder (fast) alle Kinder in der Schule.
Habt Ihr auf Eurem Weg nach Bilbao die Küste Asturiens besucht und einen Abstecher in die sehr schöne Küstenstadt Donostia / San Sebastian gemacht? Das fanden wir auf unserer großen Reise nach Marokko mit unseren 8 Kindern im Sommer 2000 auch sehr schön, dort haben wir das erste Mal kleine Schnecken aus der Tüte gegessen…
Ich wünsche Euch noch eine schöne Zeit und wunderbare Eindrücke. Bleibt gesund, Euer Bus ganz und schreibt und fotografiert bitte fleißig weiter. 🙂
Viele Grüße,
Beate